Lucid Air Pure im Test: viel Luxus trotz Basisversion?
EIN TESTBERICHT
von Dominik Lux am 12. Juli 2025, 10:00 | 💡 kürzlich aktualisiert
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Der Lucid Air Pure ist nicht einfach nur ein weiteres Elektroauto, sondern das Ergebnis einer ambitionierten Vision. Hinter Lucid Motors steckt ein US-Startup, das ursprünglich als Batterie- und Antriebsspezialist gestartet ist und später mit Peter Rawlinson, dem ehemaligen Chefentwickler des Tesla Model S, richtig Fahrt aufgenommen hat. Auch wenn er das Unternehmen inzwischen wieder verlassen hat, steckt seine Handschrift noch immer im Konzept des Air. Unterstützt wird Lucid von niemand Geringerem als dem saudischen Staatsfonds, der nicht nur Milliarden investiert hat, sondern auch eine Großbestellung von bis zu 100.000 Fahrzeugen aufgegeben hat. Mit dem Air Pure bringt Lucid nun sein Einstiegsmodell nach Europa und zeigt schon auf den ersten Blick, dass man es hier nicht mit einem typischen Basismodell zu tun hat.
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- 1 tl;dr: Solider Angriff auf Tesla und Co.
- 2 Videobericht:
- 3 Design: Hübsch, modern und etwas Audi
- 4 Innenraum: Hochwertig und viel Platz
- 5 Infotainment: Software mit Kinderkrankheiten
- 6 Fahrverhalten & Fahrassistenz: Auf gutem Niveau, aber nicht besser
- 7 Reichweite & Effizienz: Effizienzkönig oder doch eher Reichweitenkönig?
tl;dr: Solider Angriff auf Tesla und Co.
Der Lucid Air Pure ist ein solides Grundmodell einer noch jungen Marke, die sich schnell einen Namen gemacht hat. Ob er einem Tesla Model S vorzuziehen ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. In Sachen Verarbeitungsqualität liegt Lucid aber definitiv vorne. Die Software wirkt an einigen Stellen noch etwas unausgereift, das Bedienkonzept ist spannend, braucht aber Eingewöhnung. Das Soundsystem ist, sofern alles funktioniert, klanglich absolute Oberklasse und setzt neue Maßstäbe beim Raumklang. Fahrdynamisch überzeugt der Air Pure selbst ohne Luftfahrwerk und mit reinem Heckantrieb. Mit 442 PS und rund 550 Nm Drehmoment fährt er sich agil und souverän.
Die kleinere Batterie reicht im Alltag für rund 550 Kilometer. Auf der Autobahn sind im Sommer 450 bis 500 Kilometer realistisch. Überland sind je nach Fahrweise sogar 600 bis 700 Kilometer möglich. Dass Lucid beim Thema Effizienz ganz vorne mitspielt, zeigt auch eine kürzlich gefahrene Weltrekordstrecke von über 1500 Kilometern mit nur einer Akkuladung im Topmodell. Alles in einem ist der Lucid Air ein sehr spannendes Fahrzeug, welches aber durch die noch unbekannte Markenbekanntheit und die doch hohen Preise schwer am Markt tut. Obwohl er in vielen Punkten überzeugen konnte.
Videobericht:
Design: Hübsch, modern und etwas Audi
Das Design des Lucid Air kommt im Grunde von einem ehemaligen Audi-Chefdesigner, der am alten A8 und auch dem berühmten A2 mitgewirkt hat. Das wundert nicht, denn die Effizienz, die damals der A2 verkörpert hat. Findet man auch im Design des Lucid Air wieder (nur in deutlich hübscher). Von hinten könnte man schon meinen etwas Audi Designsprache zu sehen, aber er ist immer noch genügend einzigartig, um sich von der Masse anderer futuristischen Designs abzuheben. Optisch fällt der Lucid Air Pure sofort ins Auge. Die Front wirkt futuristisch und erinnert mit ihrem durchgehenden LED-Leuchtband und den schmalen Matrix-LED-Scheinwerfern ein wenig an Robocop.
Diese Scheinwerfer sorgen nicht nur für einen markanten Look, sondern bieten auch eine sehr gute Ausleuchtung bei Nacht. Insgesamt wirkt das Fahrzeug elegant und aerodynamisch gezeichnet, mit klaren Linien und einem flachen Profil. Letzteres ist im Alltag spürbar, denn der Lucid Air ist für ein Elektroauto ungewöhnlich tief. Das Ein- und Aussteigen erfordert etwas mehr Körperbewegung als bei vielen anderen E-Autos, und in Parkhäusern sollte man besonders bei steilen Rampen aufpassen, um nicht mit der Front aufzusetzen. Achso die hinteren Türen lassen sich im 90-Grad Winkel öffnen ein kleines Detail das für einen besseren Ein und Ausstieg sorgen kann.
Innenraum: Hochwertig und viel Platz
Im Innenraum unseres Testfahrzeugs ist der sogenannte Mojave-Innenraum verbaut, eine Ausstattung, die an das gleichnamige Wüstengebiet in Kalifornien erinnern soll. Im gesamten Innenraum findet sich hochwertiges Nappaleder, kombiniert mit feinen Alcantara-Oberflächen, was für eine sehr edle Anmutung sorgt. Der erste Eindruck fällt durchweg positiv aus. Die Displays sind gestochen scharf und wirken durch ihr futuristisches Layout wie eine moderne Kommandobrücke aus einem Raumschiff. Wer das mittlere untere Display nicht nutzen möchte, kann es mit einer einfachen Wischgeste nach unten gleiten lassen. Dahinter verbirgt sich ein großzügiges, gut verstecktes Fach, das fast wie ein kleiner Safe genutzt werden kann.
Sowohl Fahrer als auch Beifahrer profitieren von einer überdurchschnittlichen Beinfreiheit und einer tiefen, sportlichen Sitzposition. Die Sitze sind voll elektrisch verstellbar und bieten neben Sitzheizung auch eine Sitzklimatisierung sowie eine angenehm wirkende Massagefunktion mit vibrierender Wirkung. Ein kleines Detail beim Einstieg, auf der Einstiegsleiste sind die exakten Koordinaten eingraviert, an welche Stelle der Mojave Wüste der Innenraum angelehnt sein soll.
Auch im Fond geht es großzügig zu. Die Passagiere auf der Rückbank genießen viel Platz, keinen störenden Mitteltunnel und ein eigenes Display zur Steuerung der Klimaanlage und der Sonnenrollos. Apropos Sonnenrollos, davon gibt es gleich zwei pro Seite an den hinteren Fenstern, selbstverständlich vollelektrisch bedienbar. Zusätzlich gibt es ein weiteres Rollo für die Heckscheibe, das ebenfalls über das Display gesteuert wird. Es dunkelt jedoch nicht so stark ab, wie beispielsweise im BMW 7er. Ein Rear-Seat-Entertainment-System sucht man im Lucid Air zwar vergeblich, dafür entschädigt die Dolby-Amos-fähige Soundanlage mit beeindruckendem Raumklang. Eine Sitzheizung steht auch auf allen drei hinteren Plätzen zur Verfügung.
Hauseigenes Soundsystem kann überzeugen
Das eigens von Lucid für den Air entwickelte Surreal Sound Pro Soundsystem kann insgesamt durchaus überzeugen. In unserem Testfahrzeug war allerdings offenbar ein Tieftöner defekt, wodurch die Basswiedergabe nicht ihr volles Potenzial entfalten konnte. Trotzdem ließ sich bereits erahnen, welches Klangniveau hier eigentlich möglich ist. Besonders beeindruckend war der Raumklang bei der Nutzung von Dolby Atmos über TIDAL, ein echtes Erlebnis, das eindrucksvoll zeigt, wie sehr hochwertige Musik und ein darauf abgestimmtes Soundsystem das Fahrerlebnis aufwerten können. Natürlich richtet sich dieses Feature eher an eine technik- und musikaffine Zielgruppe, doch wer gerne Dolby-Atmos-Musik hört, dürfte hier voll auf seine Kosten kommen – vorausgesetzt, das System ist in einwandfreiem Zustand.
Infotainment: Software mit Kinderkrankheiten
Die Software im Lucid Air hinterlässt grundsätzlich einen positiven Eindruck: Das System läuft flüssig, wirkt modern-minimalistisch und bietet eine integrierte Laderoutenplanung inklusive Filtermöglichkeit nach Ladeanbieter. Dennoch reicht die Benutzerfreundlichkeit noch nicht ganz an das Niveau von Tesla oder VW heran – zumindest nicht auf Anhieb. Mit etwas Eingewöhnung lässt sich das System jedoch gut bedienen.
Kleinere Kinderkrankheiten sind im Alltag jedoch spürbar. So kommt es immer wieder vor, dass das Musik-Playback aus verschiedenen Apps plötzlich und ohne erkennbaren Grund stoppt – trotz vermeintlich ausreichender Pufferung, wie man es vom Smartphone gewohnt ist.
Der größte Kritikpunkt betrifft jedoch die Totwinkelkameras. Beim Setzen des Blinkers wird im Cockpit eine Kameraperspektive des toten Winkels eingeblendet – ein grundsätzlich sinnvolles Feature. Allerdings leidet die Darstellung unter einer sehr niedrigen Bildwiederholrate, was den praktischen Nutzen deutlich einschränkt. Merkwürdig: Deaktiviert man die Assistenzansicht, läuft die Kameravorschau deutlich flüssiger. Ein Hinweis darauf, dass hier kein Mangel an Rechenleistung vorliegt, sondern vermutlich ein Software-Bug das Problem verursacht. Android Auto gibt es übrigens überhaupt nicht, so wie bei Tesla. Allerdings gibt es kabelloses Apple CarPlay, weshalb das Android Derivat nicht funktioniert bleibt ein Rätsel.
Dank Over-the-Air-Updates könnte Lucid dieses Ärgernis jedoch schnell beheben. Während unseres Tests war dies allerdings noch nicht der Fall – deshalb gehört es zu den Punkten, die potenzielle Käufer im Blick behalten sollten.
Fahrverhalten & Fahrassistenz: Auf gutem Niveau, aber nicht besser
Das Fahrverhalten des Lucid Air Pure lässt sich als ausgewogen und angenehm beschreiben. Das Fahrwerk, vermutlich mit adaptiven Dämpfern ausgestattet, schafft einen gelungenen Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit. Zwar könnte man sagen, dass Modelle wie der Volkswagen ID.7 oder der Audi e-tron GT in puncto Fahrdynamik noch etwas präziser unterwegs sind, doch so einfach ist der Vergleich nicht. Der Lucid Air fährt sich souverän, bietet eine solide Abstimmung und wirkt keineswegs unausgereift, allerdings sticht er in dieser Preisklasse auch nicht besonders hervor, wenn man ihn direkt mit deutschen Mitbewerbern vergleicht.
Ähnlich verhält es sich mit den Fahrassistenzsystemen. Der adaptive Tempomat funktioniert zuverlässig, und auch ein Lenkassistent ist an Bord – allerdings mit einer deutlichen Einschränkung: Dieser lässt sich ausschließlich auf Autobahnen aktivieren. Auf Landstraßen oder Bundesstraßen steht die Funktion nicht zur Verfügung. Das ist schade und stellt einen klaren Nachteil gegenüber Systemen von Tesla oder deutschen Premiumherstellern dar, die in dieser Hinsicht deutlich weiter sind. Funktioniert das System jedoch, dann lenkt es präzise und trägt auf langen Autobahnetappen spürbar zum Komfort bei. Was allerdings noch fehlt, ist eine automatische Bildung der Rettungsgasse sowie eine korrekte Umsetzung der Überholregeln, denn das System erlaubt nach wie vor Überholmanöver auf der rechten Spur. Hier sollte Lucid in unseren Augen dringend nachbessern. Denn er hat ja ein LIDAR-System für fortschrittliche Assistenz verbaut, in Amerika funktioniert das auch. In Europa wohl vorerst leider nicht.
Reichweite & Effizienz: Effizienzkönig oder doch eher Reichweitenkönig?
Lucid verfolgt mit dem Air ein ambitioniertes Ziel, er soll sowohl in Sachen Effizienz als auch beim Luxus und der Reichweite ganz oben mitspielen. Und zumindest beim Energieverbrauch gelingt das beeindruckend gut. In unserem Alltagstest erreichten wir Verbräuche zwischen 13 und 14 kWh auf 100 Kilometer, ein herausragender Wert für ein Fahrzeug dieser Größe und Leistungsklasse. Selbst auf der Autobahn, bei konstanten Geschwindigkeiten um die 130 km/h, blieb der Verbrauch unter 17 kWh pro 100 Kilometer. Damit setzt der Lucid Air Maßstäbe, die in diesem Segment kaum ein anderes Elektroauto erreicht. Damit sind Reichweite von kombiniert 550 Kilometer und mehr durchaus sehr realistisch. Auch mit dem kleineren 84 kWh Akku, den wir im Pure verbaut haben. Innerstädtisch und im Überlandfahren dürften Reichweiten von 700 Kilometern durchaus möglich sein, wenn man keinen schweren Gasfuß hat.
Weniger beeindruckend fällt dagegen die Ladegeschwindigkeit aus. Zwar unterstützt der Lucid Air Pure 22 kW AC-Laden, was im Alltag praktisch sein kann. Beim DC-Laden sind jedoch maximal 200 kW möglich. In unserem Test erreichten wir meist nur Ladeleistungen zwischen 180 und 190 kW. Im Vergleich zu Fahrzeugen mit moderner 800-Volt-Technologie könnten die Ladepausen auf Langstrecken damit etwas länger ausfallen.
Durchaus zeigt Lucid mit dem Air Pure, dass es nicht immer die Top-Version sein muss. Unser Testwagen war mit der optionalen Zusatzausstattung bei ungefähr 109.000 Euro (inkl. 19 Prozent MwSt.)
Danke an Lucid Deutschland für die Bereitstellung eines Lucid Air Pure für einen einwöchigen Test.
Schaut jetzt gerne noch in unser vollständiges Videoreview zum Lucid Air Pure auf unserem YouTube-Kanal!