Genesis – schon mal gehört? Die Luxusmarke von Hyundai ist in Europa noch relativ jung unterwegs, will aber mit durchdachtem Design, viel Komfort und starker Technik im Premiumsegment angreifen. Mit dem Electrified GV70 bringt Genesis ein vollelektrisches SUV an den Start, das sich nicht verstecken muss – weder optisch noch technisch. Wir haben uns den edlen Stromer im Alltag genau angeschaut: Wie fährt er sich? Wie effizient ist er? Und kann er mit den etablierten Platzhirschen mithalten?
tl;dr: Überraschend gut, aber unbekannt.
Der Genesis Electrified GV70 überrascht im Test mit einem starken Design, hohem Fahrkomfort und exzellenter Verarbeitungsqualität. Obwohl er auf einer ursprünglich für Verbrenner konzipierten Plattform basiert, merkt man ihm das im Alltag kaum an – der Eindruck eines durchdachten Elektroautos überwiegt deutlich. Besonders gelungen ist die Balance aus klassischen Bedienelementen und modernen digitalen Interfaces: Die Bedienung des Infotainments erinnert mit ihrer Präzision und Struktur fast schon an BMW. Dazu kommen kräftige Fahrleistungen und die bewährte 800-Volt-Schnellladetechnik aus dem Hyundai-Konzern – der GV70 entpuppt sich damit als echter Geheimtipp im Segment der Premium-Elektro-SUVs.
Getestet haben wir das Modelljahr vor dem jüngsten Facelift. Die neuere Version bringt ein leicht überarbeitetes Design sowie einen etwas größeren Akku mit. Besonders im Innenraum wurde einiges verändert: Viele physische Tasten mussten einem großflächigen Touchdisplay weichen. Wer hier lieber klassische Bedienlogik bevorzugt, sollte sich die Unterschiede genau ansehen. Unser Testwagen lag preislich bei rund 80.000 Euro (inkl. 19 % MwSt.) – kein Schnäppchen, aber angesichts der umfangreichen Ausstattung, des hochwertigen Soundsystems, der sehr guten Assistenzsysteme und der edlen Materialauswahl durchaus fair kalkuliert.
Unter der Haube arbeitet ein 360 kW (490 PS) starkes Allradsystem mit entkoppelbaren E-Motor an der Front. Dazu gibt es einen 77,4 kWh großen Akku, von dem 74 kWh netto nutzbar sind – ein typischer Wert für Modelle aus dem Hyundai-Konzern. Damit sind im Alltag realistische Reichweiten um die 380 Kilometer möglich. Das ist zwar kein Spitzenwert, dafür punktet der GV70 mit einer hervorragenden Ladekurve: Mit einem Peak von 233 kW an einer DC-Schnellladesäule lädt er konstant mit 190 bis 200 kW und schafft den Sprung von 10 auf 80 Prozent in gerade einmal 17 Minuten. Das reduziert die Ladepausen auf längeren Strecken spürbar – ein echter Pluspunkt.
Videobericht:
https://youtu.be/-yKYUlXer5s
Design: Etwas Eigenes oder doch britisch?
Optisch fällt der Electrified GV70 sofort ins Auge – und das ist kein Zufall. Verantwortlich für das Design ist Luc Donckerwolke, der frühere Chefdesigner von Bentley, der mittlerweile bei Genesis federführend für die Formensprache verantwortlich ist. Seine Handschrift ist unübersehbar: Vom markanten Wappen-Logo bis hin zur eleganten Silhouette mit kräftigen Schultern und fein gezeichneten Linien erinnert vieles an britische Luxusfahrzeuge. Besonders die zweigeteilten Scheinwerfer und Rückleuchten sowie der massive Kühlergrill – bei der E-Version natürlich geschlossen – wecken Assoziationen an die Designsprache von Bentley. Genesis schafft es hier, klassischen Luxus modern zu interpretieren und dem Electrified GV70 eine eigenständige, sehr hochwertige Präsenz zu verleihen.
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Uns hat das Design sehr gefallen und es ist definitiv mal etwas anderes. Abgesehen davon bekommt man ähnliche andere Designs nur für weit über der 100.000 Euro Grenze. Wer also denkt, man bekommt hier eigentlich nur einen etwas hochwertigeren Hyundai, der liegt falsch. Klar, die Bedienung und Technologie im Kern ist im gesamten Konzern gleich, aber Genesis macht genug eigene Innovation, um sich klar von Hyundai oder Kia abzuheben in unseren Augen. Nicht nur beim Design.
Innenraum: Hochwertig und kaum Klavierlack!
Auch im Innenraum setzt Genesis auf eine klare Designsprache mit viel Liebe zum Detail. Besonders erfreulich: Auf hochglänzenden Klavierlack wurde – bis auf die Bedieneinheit der Klimaanlage – fast vollständig verzichtet. Stattdessen dominieren edle Materialien, durchdachte Oberflächen und eine angenehm reduzierte Optik, die dennoch nicht kühl wirkt. Alles fühlt sich hochwertig an, von den fein strukturierten Tasten bis zu den weichen, teils gesteppten Lederflächen. Der Innenraum vermittelt ein echtes Premiumgefühl – ohne aufgesetzt oder verspielt zu wirken. Genesis zeigt hier eindrucksvoll, dass Luxus auch zurückhaltend und stilvoll sein kann.
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3D is back!
Genesis hat sich beim Tacho-Design etwas getraut – und das auf eine Weise, die man sonst eher von Oberklassefahrzeugen wie der Mercedes E-Klasse kennt:
Ein optionaler 3D-Tacho, der auf Wunsch auch in 2D dargestellt werden kann. Mithilfe einer im Fahrzeug verbauten Kamera, die im Modelljahr 2023 nicht zur Fahrerüberwachung dient, entsteht ein beeindruckender 3D-Effekt. Dieser verleiht der sonst flachen digitalen Anzeige eine überraschend realistische Tiefenwirkung, die das Fahrerlebnis aufwertet.
Infotainment: Flüssig, schlicht und etwas BMW.
Das Infotainment im Genesis Electrified GV70 überzeugt trotz des Modelljahres 2023 mit überraschend flüssiger Performance und durchdachter Ausstattung. Anders als bei vielen Hyundai- und Kia-Modellen aus dem gleichen Zeitraum läuft das System nicht nur schneller, sondern wirkt auch insgesamt moderner. Genesis ist hier als einzige Marke im Konzern den Extra-Schritt gegangen und hat kabelloses Android Auto und Apple CarPlay per OTA-Update nachgerüstet – ein echter Pluspunkt, den man nicht oft sieht.
Bedient wird das System primär über einen Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole – ein bekanntes Konzept, das man so oder so ähnlich aus verschiedenen BMW-Modellen kennt. Da der Touchscreen recht weit entfernt und zentral auf dem Armaturenbrett sitzt, ist die physische Steuerung im Alltag ein echter Vorteil. Das Display selbst ist gestochen scharf, sehr gut ablesbar – sowohl bei direkter Sonneneinstrahlung als auch nachts – und bietet eine angenehm hohe Auflösung. Der Drehsteller funktioniert präzise und intuitiv – dass hier kein Patent verletzt wird, wundert uns ehrlich gesagt ein wenig. Aber: Solange das Ergebnis eine sichere und ergonomische Bedienung während der Fahrt ist, kann es uns nur recht sein. Mehr Hersteller sollten sich diese Art der Bedienlogik zumindest optional wieder ins Sortiment holen.
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Kabellose-Verbindung per OTA-Update
Die Smartphone-Integration funktioniert zügig: Android Auto und Apple CarPlay verbinden sich schnell und zuverlässig. Dazu kommt eine sinnvolle E-Auto-Ausstattung, etwa die Laderoutenplanung inklusive Batterie-Vorheizung sowie ein Filter für bevorzugte Ladeanbieter. Das lässt kaum Wünsche offen – aber eben nur fast. Eine Satellitenansicht der Karte hätten wir uns zum Beispiel noch gewünscht, auch wenn man immerhin zwischen dem Genesis-eigenen „Neon“-Kartenstil und dem klassischen Hyundai/Kia-Design umschalten kann. Die integrierte Augmented-Reality-Navigation, die bei Bedarf im Display eingeblendet wird, ist ebenfalls ein nettes Feature – gelegentlich ruckelt die Darstellung jedoch leicht oder reagiert mit Verzögerung.
Extra für die vollelektrische Version bietet der GV70 einen Offroad-Modus mit einem schönen Menü im Infotainment und 3 Extra-Fahrmodi die es beim Verbrenner-Bruder nicht gibt. Hier werden etwa die Koordinaten und die Neigung angezeigt.
Fahrverhalten: Typisch komfortabel, typisch SUV
Wer schon einmal ein SUV gefahren ist, kennt die typischen Vor- und Nachteile dieses Fahrzeugtyps. Auch der Genesis GV70 Electrified macht hier keine großen Experimente – und das ist durchaus positiv gemeint. Die Balance zwischen Komfort und Sportlichkeit gelingt ihm erstaunlich gut. Mit an Bord ist ein adaptives Fahrwerk, das mithilfe einer Kamera Straßenschäden im Voraus erkennt und die Dämpfer darauf abstimmt. In der Praxis merkt man diesen Effekt durchaus, wenngleich uns das „DCC“ (Dynamic Chassis Control) von Volkswagen subjektiv noch etwas besser gefallen hat – vor allem, was Kurvenlage und Federung im Alltag betrifft. Das soll aber nicht heißen, dass der GV70 enttäuscht: Er fährt souverän, komfortabel und sehr ruhig, ohne nennenswerte Schwächen.
In schnell gefahrenen Kurven macht sich die SUV-typische Bauform dennoch bemerkbar: Der Wagen neigt leicht zum Nachschwingen, bleibt aber stets kontrollierbar. Solche Eigenschaften lassen sich in diesem Segment kaum vermeiden. Im regulären Fahrbetrieb hingegen glänzt der GV70 mit einem sehr hohen Komfortniveau. Die Lenkung ist angenehm präzise, ohne übertrieben direkt zu wirken, und selbst gröbere Bodenwellen werden leise und souverän weggefedert, ohne dass es im Innenraum knarzt oder poltert. Klar, man spürt Unebenheiten – aber deutlich sanfter als in vielen anderen SUVs dieser Größe. Wer komfortables und zugleich kraftvolles Fahren schätzt, wird mit dem GV70 Electrified definitiv seine Freude haben.
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Aktive Geräuschkontrolle mit Lexicon Soundsystem
Ein besonderes Highlight im Electrified Genesis GV70 ist die aktive Geräuschreduzierung, die serienmäßig mit dem optionalen Lexicon Soundsystem kombiniert wird. Dabei werden störende Fahrgeräusche durch Gegenschall minimiert – besonders auf der Autobahn sorgt das für ein angenehm ruhiges Klangbild im Innenraum. Das Lexicon System selbst überzeugt mit einem klaren, ausgewogenen Sound und kräftigem Bass, der nicht übertrieben wirkt, sondern angenehm tief und sauber klingt. An die Harman Kardon Systeme aus aktuellen BMW-Modellen kommt es zwar nicht ganz heran, doch für Musikliebhaber ist das Setup dennoch mehr als ordentlich. Wer also viel und gerne Musik im Auto hört, sollte sich überlegen, das Soundsystem unbedingt mitzubestellen – schon allein wegen der zusätzlich spürbaren Ruhe im Innenraum.
Leistung hat er satt
Für Vortrieb sorgen zwei Elektromotoren mit zusammen 360 kW (490 PS) und 700 Nm Drehmoment. Im BOOST-Modus sprintet das SUV in gerade einmal 4,2 Sekunden auf Tempo 100 und presst einen wie so oft in der Elektrowelt kräftig in den Sitz. Im alltäglichen Straßenverkehr lässt man damit die meisten Fahrzeuge ganz entspannt hinter sich – souveräner kann man sich kaum fortbewegen. Allerdings: Ab einem Akkustand von etwa 30 bis 40 Prozent SoC fällt die Leistung spürbar ab, dann fährt man etwas gemächlicher. Für den Alltag ist das aber immer noch völlig ausreichend und in dieser Fahrzeugklasse auch nicht ungewöhnlich. Immerhin muss man eben zwingend den Vollstromer beim GV70 wählen, um überhaupt so eine schnelle Beschleunigung auf die Beine zu stellen. Die Verbrenner haben alle maximal 300 PS und sind deutlich langsamer. Immerhin zieht Genesis hier keine virtuelle Reißleine und gibt dem Elektro GV70 eine maximale Geschwindigkeit von 235 km / h.
Matrix-LED ohne aktives Kurvenlicht
Wir hätten uns nebst dem gut funktionierenden Matrix-LED System im GV70 noch ein aktives Kurvenlicht gewünscht. Wenn wir gerade schon beim Licht sind, ist es für mich persönlich unbegreiflich wieso man die hinteren Blinker am unteren Ende des Hecks platziert hat. Immerhin wandern die Blinker im Facelift an eine Position wo man sie auch erwarten würde.
Akku & Reichweite: Schnelles Laden trotz Verbrennerplattform
Hier dürfte Genesis in Zukunft ruhig noch etwas zulegen. Im Electrified GV70 steckt der klassische 77,4-kWh-Akku, wie man ihn auch aus anderen Modellen des Hyundai-Konzerns kennt. Davon sind rund 74 kWh netto nutzbar, was bei normaler Fahrweise im Alltag für etwa 380 bis 400 Kilometer Reichweite sorgt. In unserem Test kamen wir bei gemischtem Fahrprofil auf einen realistischen Durchschnittsverbrauch von ca. 21 kWh/100 km – ein durchaus guter Wert für ein SUV dieser Größe und Leistung, auch wenn es effizientere Kandidaten in dieser Klasse gibt.
Beim Laden spielt der GV70 dann aber seine Stärken aus: Dank 800-Volt-System lädt das Fahrzeug an geeigneten Schnellladesäulen mit bis zu 233 kW – und das konstant und zuverlässig. Von 10 auf 80 Prozent vergehen gerade einmal 18 Minuten, was ihn zu einem der schnellsten Ladekünstler in seinem Segment macht. Diese Ladezeiten konnten wir bei sommerlichen Temperaturen auch mehrfach reproduzieren. Das verkürzt die Ladepausen spürbar und macht den GV70 auch auf längeren Strecken absolut alltagstauglich.
TechnikNews Test-Vergleich
Unserer Einschätzung nach ist der Genesis Electrified GV70 ein echter Geheimtipp im Segment der elektrischen Mittelklasse-SUVs. Wir haben bereits ein paar vergleichbare Fahrzeuge getestet – darunter den BMW iX3, den NIO EL6, den Volvo EX40 sowie den neuen Peugeot E-3008 – und in dieser kleinen, aber spannenden Auswahl hebt sich der GV70 vor allem in einem Punkt deutlich ab: beim Ladeerlebnis. Während die meisten Modelle in dieser Klasse solide Ladeleistungen bieten, spielt Genesis hier mit seiner 800-Volt-Technologie in einer eigenen Liga – Ladepausen fallen deutlich kürzer aus, und die Ladeplanung ist im Alltag entspannter. Auch beim Innenraumkomfort und der Materialauswahl macht der GV70 einen besonders hochwertigen Eindruck – stilvoll, ruhig und edel.
Im Gegensatz dazu zeigt sich der BMW iX3 sportlich-nüchtern, der NIO EL6 sehr technikverliebt, der Volvo EX40 eher pragmatisch und sicherheitsbetont, während der Peugeot E-3008 vor allem durch Design und Effizienz punkten möchte. Wer sich also nach einem ruhigen, souveränen E-SUV mit Premium-Charakter umsieht, könnte im GV70 mehr finden als erwartet.
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